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Wilson Kipsang lässt sich als Sieger des New York City Marathon 2014 feiern.
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Wiedergutmachung für WM-Blamage in New York
Beim London Marathon von Eliud Kipchoge besiegt, beim WM-Marathon in Peking blamiert. Bisher war es nicht das Jahr des erfolgsverwöhnten Wilson Kipsang. Dies soll sich beim New York City Marathon ändern, wo er als Titelverteidiger an den Start geht. Mit dabei sind auch sein Widersacher aus dem Vorjahr und ein „Alleskönner“.
Wilson Kipsang hat in seiner vorbildlichen Marathon-Karriere bereits zahlreiche großartige Erfolge gefeiert. Jener beim New York City Marathon 2014 nimmt eine besondere Stellung ein, weil er sich damit den erstmaligen Gesamtsieg in der World Marathon Majors Gesamtserie gesichert hat, was ihm 500.000$ auf das Konto gespült hat. Dass der 33-Jährige nun bereits exakt ein Jahr lang ohne vollen Erfolg bei einem Marathon ist, hat in seiner Karriere absoluten Seltenheitswert. Doch bevor jemand auf den Gedanken kommen könnte, die beste Zeit des wohl besten Marathonläufers der letzten Jahre sei bereits vorbei, möchte Kipsang in New York ein großes Zeichen setzen. Denn das Debakel bei den Weltmeisterschaften in Peking hängt ihm nach wie vor nach und hat dem Image der kenianischen Marathonläufer geschadet.

Kipsang und seine Schwäche, wenn Pacemaker fehlen

„Ich bin schon bei höheren Temperaturen gelaufen und wir waren darauf vorbereitet. Aber die Bedingungen in Peking waren zu extrem. Ich war darauf fokussiert, den WM-Titel in mein Land zu bringen, aber das ging in die Hose“, stöhnte Wilson Kipsang nach den Weltmeisterschaften. Das kenianische Startrio um Kipsang und Weltrekordhalter Dennis Kimetto hatte durch das Fiasko von Peking für weltweite Diskussionen gesorgt, die vor allem aber in der Heimat sehr kritisch und umfangreich ausgetragen wurden. Nun sind zwei Monate vergangen, aber abflachen werden die Diskussionen wohl erst, wenn Kipsang und Kimetto auf sportlicher Bühne zurückschlagen. Gerade deswegen käme ein Sieg beim New York City Marathon äußerst gelegen. Dass die Titelverteidigung gelingt, davon geht Kipsang mit seinem gewohnten Optimismus fest aus: „Mein Training ist sehr gut verlaufen und ich bin glücklich, wieder hier zu sein.“ Auf dem Papier ist der Titelverteidiger, der bereits sechsmal in seinem Leben unter 2:05 Stunden gelaufen ist, was einen absoluten Weltrekord darstellt, der klare Favorit. „Hoffentlich ist das Wetter besser als in Peking. Ich liebe es, in New York zu laufen, die Strecke kommt mir entgegen.“ Nachdem im vergangenen Jahr unüblich kühle Bedingungen und Wind die Elite gebremst hat, sagen die Wetterexperten für Sonntag gute Bedingungen vorher. Wilson Kipsang hat bereits angekündigt, das Tempo hochhalten zu wollen. Interessant wird sein, wie der Kenianer damit umgeht, dass in New York keine Pacemaker engagiert sind. Denn in Rennen ohne Pacemaker hatte er in Vergangenheit mehrfach Probleme, seine Leistungsfähigkeit in entsprechende Ergebnisse umzumünzen.

Revanche-Gelüste

Man sollte Wilson Kipsangs Niederlage gegen Eliud Kipchoge beim London Marathon 2015 nicht überbewerten, zumal Kipsang dabei eine Weltklassezeit gelaufen ist und Kipchoge unantastbar wirkt. Doch der London Marathon hat auch klar gezeigt, dass Wilson Kipsang, der zuvor sämtliche Marathon-Größen, bei denen er am Start stand, für sich entscheiden konnte, nicht unschlagbar ist. Diese Erkenntnis ist sicherlich auch für Lelisa Desisa wichtig, der im vergangenen Jahr beim New York City Marathon alles aus sich herausholte und den Kenianer an den Rand einer Niederlage brachte. Der 25-Jährige, der vor knapp drei Jahren seine Marathon-Karriere mit einem Paukenschlag in Dubai (persönliche Bestleistung von 2:04:45 Stunden) startete, gehört definitiv zu den besten seines Fachs, auch wenn er häufig im Schatten der kenianischen Stars steht. Zwei Siege beim Boston Marathon sprechen Bände, die WM-Silbermedaille von Moskau ebenfalls – eine beachtliche Bewerbung für die 100.000$ Siegesprämie in New York. Wie Kipsang nahm auch Lelisa Desisa am WM-Marathon in Peking teil und galt als Medaillenkandidat. Er enttäuschte nicht ganz so sehr wie die Kenianer, doch mehr als Rang sieben hatte sich der Äthiopier sicherlich ausgerechnet. Schließlich beendete der 25-Jährige alle anderen seiner Marathons auf den ersten beiden Plätzen. Wie sein Hauptrivale geht Desisa in New York also auch in den dritten Marathon der Saison, der 25-Jährige gilt als „Viel-Läufer“ und ist diese Belastung gewohnt.

Der Allrounder
Wäre Geoffrey Kamworor ein Tennisprofi, hätte er die idealen Voraussetzungen für einen Grand Slam. Denn: Egal auf welchem Untergrund der 22-Jährige läuft, er überzeugt! Seine Allrounder-Fähigkeiten lassen sich alleine in diesem Jahr argumentieren: Dem Crosslauf-WM-Titel im Frühjahr folgte WM-Silber nach einer starken Vorstellung über 10.000m auf der Bahn und auf der Straße ist der Kenianer spätestens seit seinem Halbmarathon-WM-Titel 2014 eine große Nummer. „Ich habe keine Lieblingsdistanz. Ich freue mich auf alle Rennen, die ich bestreite“, sagt er, auch wenn er seine besondere Liebe zum Crosslauf nicht leugnet. Der Trainingskollege von Berlin-Sieger Eliud Kipchoge („Sein Sieg in Berlin hat meine Hoffnungen auf einen guten New York Marathon gesteigert, weil ich im Training mit ihm mithalten konnte.“) hat in seiner Karriere bisher vier Marathons absolviert – drei davon in Berlin – und blieb dreimal in Folge unter 2:07 Stunden. Für den New York City Marathon 2015, wo im Gegensatz zum Berlin Marathon keine Pacemaker für eine schnelle erste Hälfte sorgen, was ein Vorteil für ihn sein könnte, plant der vor Selbstvertrauen strotzende Kamworor seine erste richtige Attacke in die Marathon-Weltspitze. „Nach all den Longruns, die ich im Training absolviert habe, sehe ich keinen Grund, warum ich mich vor dem New York City Marathon fürchten müsste. Warum sollte ich nicht gewinnen?“, formuliert der junge Kenianer eine eher vorsichtige Angriffsparole. Ob seiner Grundlagen ist ihm sicherlich einiges zuzutrauen, doch Landsmann Wilson Kipsang bremst die Euphorie: „Kamworor ist nicht Kipchoge.“ Mit dieser Aussage gab der ehemalige Weltrekordhalter auch gleich seine Einschätzung zur Siegeschance seines Landsmanns ab.

Beliebter Lokalmatador

„Die Fans entlang der Marathonstrecke werden die besten Marathonläufer der Welt sehen, die sich in Position für die Olympischen Spiele 2016 bringen wollen. Das ist eines der aufregendsten Felder seit Jahren und ein Schlüsselrennen in der Abbott World Marathon Majors Serie“, verspricht Renndirektor Peter Ciaccia. In der Tat: Das Elitefeld der Herren ist vollgepackt von spannenden Athleten, die im Rahmen dieser Veranstaltung bereits große Erfolge gefeiert haben. Mit Wilson Kipsang, Lelisa Desisa, dessen Landsmann Gebre Gebremariam und Meb Keflezighi sind die schnellsten Vier des Vorjahres wieder dabei. Sowohl der US-amerikanische Laufheld als auch der Äthiopier haben in den Jahren 2009 und 2010 den New York City Marathon bereits gewinnen können. „Ich bin sehr aufgeregt, denn das wird mein zehnter New York City Marathon“, blickt der mittlerweile 40-jährige Routinier und Liebling der US-amerikanischen Marathonfans voller Vorfreude voraus.

Tsegaye und seine WMM-Ambitionen

Eine große Rolle könnte auch der Äthiopier Yemane Tsegaye spielen. Der 30-Jährige musste sich beim Boston Marathon einzig seinem Landsmann Desisa geschlagen geben und holte im August bei den Weltmeisterschaften in Peking die Silbermedaille. Damit liegt Tsegay, neuer Ehemann der schwedischen Mittelstreckenläuferin Abeba Aregawi, mit 32 Punkten aktuell auf Rang drei der World Marathon Majors und könnte mit einem vollen Erfolg am Big Apple am führenden Eliud Kipchoge vorbeiziehen. Ebenfalls ein Spitzenresultat zuzutrauen ist dem Kenianer Stanley Biwott, im vergangenen Jahr Zweiter beim London Marathon und 2012 Sieger des Paris Marathon. Bei seinem Testrennen, dem Great North Run, konnte er als Zweiter hinter Mo Farah überzeugen. Vergleichsweise wenige namhafte europäische Marathonläufer haben in diesem Jahr die Reise nach New York angetreten, der bekannteste ist Europameister Daniele Meucci, der bei seinem starken WM-Auftritt in Peking unmittelbar hinter Desisa ins Ziel gelaufen war.

Japanische Flaute

Beim New York City Marathon bahnt sich eine Wachablösung an. Herren- und Damen-Bewerbe summiert, führen die US-Amerikaner die ewige Bestenliste mit 21 Erfolgen noch an, doch seit 1982 gab es nur einen durch Meb Keflezighi 2009. Kenia lauert mit 20 Erfolgen dahinter, 2015 gab es den letzten Doppelsieg durch Wilson Kipsang und Mary Keitany. Zahlreiche weitere Nationen sind in den Siegerlisten des New York City Marathon verewigt, darunter Norwegen mit zehn Erfolgen bei den Damen, Großbritannien (u.a. durch Paula Radcliffe), Mexiko, Brasilien, Italien, Deutschland (durch Uta Pippig 1993) oder die Schweiz (Franziska Rochat-Moser 1997). Eine große Marathon-Nation fehlt allerdings: Japan, das bei zahlreichen anderen Marathon-Größen wie Boston (Herren) oder Berlin (Damen) bereits zahlreiche Siege feiern konnte. Dass sich dies 2015 ändert, ist höchst unwahrscheinlich.

Citizen Runner

Der einzige theoretische Bewerber ist Yuki Kawauchi, der beliebte Laufamateur aus Japan. Der Schuldiener besticht durch seine unnatürlich häufigen Laufauftritte auf professionellem Niveau. Im Rhythmus von zwei oder drei Wochen absolviert er regelmäßig Halbmarathons, immer wieder streut er auch Marathons ein. Mit einer Bestleistung von 2:08:14 Stunden, für einen Amateur sehr erstaunlich, ist er allerdings nicht gerade hauptverdächtig auf einen Triumph in New York. In seiner Heimat ist der 28-Jährige als „Citizen Runner“ längst ein Volksheld und auf der ganzen Welt für Hobbyläufer ein inspirierender Wundertäter, der sich ganz dem Laufsport verschrieen hat. „Ich hoffe, auf der ganzen Welt an Laufevents teilnehmen zu können, bis ich sterbe“, lautet sein Credo. Der New York City Marathon ist sein neunter im laufenden Jahr, eine einstellige Platzierung und eine Zeit unter 2:10 Stunden die eigene Zielsetzung. Fünf Wochen nach dem New York City Marathon plant Kawauchi übrigens einen Start beim Fukuoka Marathon. Ein Sieg dort wäre laut eigener Einschätzung die letzte Chance, sich doch noch für das japanische Olympia-Marathon-Team zu qualifizieren. Was für jeden anderen Läufer ein unüberbrückbarer Terminstress darstellt, ist für den Mann, der im vergangenen Jahr zwei Marathons binnen zwei Wochen unter 2:10 Stunden gelaufen ist und heuer im Mai binnen 72 Stunden drei Halbmarathons mit Zeiten jeweils unter 1:10 Stunden gewinnen konnte, das tägliche Brot.

New York City Marathon
Text: SIP / TK
Foto: Getty Images